- Deutschland nach 1945: Die Besatzungspolitik der Siegermächte
- Deutschland nach 1945: Die Besatzungspolitik der SiegermächteDeutschlandpläne der AlliiertenBestrafung und Sühne der am Krieg Schuldigen war eines der ersten Kriegsziele der Alliierten. Die Deutschen, so die einhellige Auffassung während des Krieges, hatten zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre einen Krieg zur Erweiterung ihres Machtbereichs begonnen und Europa in Schutt und Asche gelegt. Winston Churchill sprach später von einem zweiten Dreißigjährigen Krieg. Die Deutschen waren nach alliierter Auffassung eine ständige Bedrohung für ihre Nachbarn. Notwendig war deshalb, ihnen die Möglichkeit zu nehmen, Kriege zu führen.Von der Atlantikcharta bis zur Konferenz von JaltaWährend des Zweiten Weltkriegs kursierten die verschiedendsten Pläne zur Behandlung der Deutschen, teils offiziell, teils aus privater Feder. Zu den offiziellen Verlautbarungen von alliierter Seite gehörten die Absprachen zwischen Franklin D. Roosevelt und Churchill vom 12. August 1941, aus denen die Atlantikcharta hervorging, wie auch die Ergebnisse der Konferenzen von Casablanca, Moskau und Teheran 1943 sowie vor allem der Konferenz von Jalta 1945. Die Atlantikcharta hatte neben dem Ziel der »endgültigen Vernichtung der Nazityrannei« vier Hauptziele formuliert, die auf die Vierzehn Punkte des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson im Ersten Weltkrieg verwiesen. Danach sollte es keine territorialen Veränderungen nach dem Krieg geben, die nicht mit dem Willen der befreiten Völker in Einklang standen. Gefordert waren ferner ein Selbstbestimmungsrecht der Nationen, freier Zugang zum Handel und zu den Rohstoffen sowie engste Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet. Im Januar 1943 hatte die Anti-Hitler-Koalition dann in Casablanca als zentrales Ziel die bedingungslose Kapitulation (unconditional surrender) in einer Pressekonferenz verkündet. Neun Monate später, vom 19. bis zum 30. Oktober, trafen sich die Außenminister zu einer Konsultation in Moskau, und hier wurden zum ersten Mal unter dem Eindruck der deutschen Gräuel in der Sowjetunion, Frankreich und Italien Kriegsverbrecherprozesse gegen die Täter angekündigt. Sobald irgendeiner in Deutschland gebildeten Regierung ein Waffenstillstand gewährt werde, so die Deklaration der Konferenz, sollten jene deutschen Offiziere, Soldaten und Mitglieder der Nazipartei, die für die Grausamkeiten, Massaker und Exekutionen verantwortlich gewesen waren, in jenen Ländern abgeurteilt werden, in denen sie ihre Taten ausgeführt hatten. Diejenigen Täter, deren Verbrechen keine örtliche Beschränkung gehabt hatten, sollten durch ein gemeinsames alliiertes Gericht abgeurteilt werden. Die Konferenz von Teheran vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 hatte diesen Erklärungen wenig Neues hinzuzufügen, allerdings sprach man hier wiederum über Gebietsabtrennungen, die Deutschland als Sühne zu leisten habe. In Jalta im Februar 1945 — die Alliierten standen in Oberschlesien und am Rhein — wurden noch einmal die bisherigen Positionen bekräftigt.Besetzt, nicht befreit: Ein besiegter FeindstaatDen Alliierten ging es nicht um eine Befreiung der Deutschen, so viel war auf den Konferenzen klar geworden. In der berühmten Direktive JCS 1067 der Vereinigten Stabschefs der USA, die die grundlegenden Ziele der Besatzungspolitik 1944 festlegte und von Harry S. Truman im April 1945 gebilligt wurde, hieß es klar und deutlich: Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als besiegter Feindstaat.Die Mehrheit der Deutschen ging während des Krieges davon aus, dass nach einer Niederlage ein »Über-Versailles« drohen würde. Es gibt eine Vielzahl von Belegen vor allem in den von Gestapo und Sicherheitsdienst angefertigten Stimmungsberichten, dass neben der Furcht vor Repressionen des NS-Staats nichts den Durchhaltewillen so sehr stärkte wie die Überzeugung, dass es nach einem verlorenen Krieg für Deutschland keine Zukunft mehr geben werde. Halboffizielle oder rein private Deutschlandpläne von der Qualität des nach dem amerikanischen Finanzminister benannten Morgenthauplans — dieser stellte die Reagrarisierung in den Mittelpunkt — wurden von der NS-Propaganda gezielt verbreitet und ließen für die Niederlage das Schlimmste befürchten. Joseph Goebbels jedenfalls notierte bereits im Januar 1940 in seinem Tagebuch, die Herren würden die Bekanntgabe solcher Pläne noch einmal bitter bereuen. Auch Churchill hat mehrfach auf die negativen Auswirkungen solcher Veröffentlichung hingewiesen, und in der Tat war die »Wir-sitzen-alle-in-einem-Boot-Mentalität« bis zum Kriegsende in Deutschland deutlich spürbar.Besatzungsherrschaft in Deutschland nach 1945Deutschland war durch die alliierte militärische Überlegenheit geschlagen worden, Regierung und Entnazifizierung bzw. Umerziehung oblagen deswegen selbstverständlich den vier Militärregierungen. Sie agierten bis 1948, als das Verfahren in deutsche Hände überging, nach eigenen Vorstellungen.Alliierter Kontrollrat und BesatzungszonenDer im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 entsprechend der Berliner Viermächteerklärung vom 5. Juni als gemeinsames Organ der Besatzungsmächte und oberste Regierungsgewalt eingerichtete Alliierte Kontrollrat bestand aus den militärischen Oberbefehlshabern der vier Besatzungszonen, zunächst Dwight D. Eisenhower (USA), Bernard Montgomery (Großbritannien), Georgij Konstantinowitsch Schukow (UdSSR) und Marie Pierre Koenig (Frankreich). Die Besatzungszonen waren ohne großes Federlesen quer über die deutschen Ländergrenzen und in Österreich eingerichtet worden, in der Regel dort, wo die Armeen am Ende des Kriegs stehen geblieben waren. Eine Ausnahme machte in Deutschland die amerikanische Zone, von der das ursprünglich amerikanisch besetzte Thüringen im Juli 1945 an die Sowjets abgetreten wurde. Preußen, das allein drei Fünftel des Deutschen Reiches ausgemacht hatte und ohnehin als »Kopf« des deutschen Militarismus aufgelöst werden sollte, war quer über alle Zonen vertreten, ein Teil war jenseits der Oder-Neiße-Linie unter polnischer Verwaltung; das Land wurde im Februar 1947 durch den Alliierten Kontrollrat für aufgelöst erklärt. Die alte Reichshauptstadt Berlin wurde in vier Sektoren aufgeteilt und bildete eine besondere Einheit unter Viermächteverwaltung. Die USA proklamierten in ihrem Besatzungsbereich am 19. September 1945 die Einrichtung von drei Ländern, (Nord-)Württemberg-Baden, Bayern und Hessen; 1947 kam noch Bremen hinzu. Die britische Besatzungszone umfasste die Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, dazu kamen Schleswig-Holstein und Hamburg. Zur französischen Zone gehörten das Saarland (am 31. Juli 1945 ausgegliedert und einer eigenen Behörde unterstellt), Rheinland-Pfalz, (Süd-)Baden und (Süd-)Württemberg-Hohenzollern; aus den beiden Letzteren und Württemberg-Baden wurde 1952 das Bundesland Baden-Württemberg gebildet.In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) war man am schnellsten zu einer politischen Neuordnung gekommen. Bereits 1945 waren fünf neue Länder gegründet worden, die aber erst 1947 Länderstatus erhielten: Mecklenburg, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. 1952 wurden diese in einer Verwaltungsreform in 14 Bezirke aufgeteilt. Die Zentralverwaltungen wurden hier durch den berühmten Befehl Nr. 17 der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) am 27. Juli 1945 eingerichtet.Die Rolle der unbelasteten Deutschen und EmigrantenEine der entscheidenden Maßnahmen auf dem Weg zur politischen Umgestaltung war zudem die Einsetzung von unbelasteten Deutschen, die zwar Macht erhielten, aber massiv von den politischen Vorgaben der Besatzungsmächte abhängig waren. In Bayern demonstrierten die Amerikaner dies eindrücklich am ersten Ministerpräsidenten Fritz Schäffer, der am 28. September 1945 ohne große Umstände durch seinen Justizminister Wilhelm Hoegner ersetzt wurde, weil er angeblich zu nachsichtig gegenüber Nationalsozialisten in seiner Verwaltung war. Ähnlich erging es in der britischen Zone Konrad Adenauer, der im Mai 1945 von den Amerikanern zum Oberbürgermeister von Köln ernannt und im Oktober von den Briten wieder entfernt worden war.In allen Besatzungszonen spielten Emigranten, die sich bereits während des Krieges mit Plänen für die Zeit »nach Hitler« beschäftigt hatten, eine wichtige Rolle. Teilweise wurden sie in der Verwaltung, vor allem aber im Entnazifizierungsapparat tätig. Robert Kempner, ab 1946 amerikanischer Ankläger in den 1945 anlaufenden Nürnberger Prozessen, war ein ehemaliger preußischer Ministerialbeamter, Otto John, Beteiligter am Verschwörerkreis des 20. Juli 1944 und von 1950 bis 1954 erster Chef des westdeutschen Verfassungsschutzes, war 1945 im Dienst der britischen Armee an den Verhören von Militärs mit beteiligt. Der Schriftsteller Alfred Döblin wurde Mitarbeiter der Kulturabteilung in der französischen Militärregierung.In der Sowjetischen Besatzungszone spielten die kommunistischen Emigranten der KPD eine besondere Rolle, die mit der Roten Armee zusammen nach Deutschland zurückgekehrt waren, die »Gruppe Ulbricht« (Berlin) sowie die Gruppen um Anton Ackermann (Sachsen) und Gustav Sobottka (Mecklenburg-Pommern). Sie waren bereits während des Krieges darauf vorbereitet worden, beim Aufbau der Verwaltung und vor allem bei der Entnazifizierung mitzuwirken. Früh zeichnete sich die Dominanz der KPD-Funktionäre ab, die massiv Vertreter bürgerlicher Parteien und besonders die Sozialdemokraten verdrängten. Ein Beispiel dafür war Hermann Brill, profilierter Sozialdemokrat des linken Flügels, Widerstandskämpfer und ehemaliger Häftling des Konzentrationslagers Buchenwald, der zunächst in Thüringen noch von den Amerikanern als Länderchef eingesetzt worden war. Er wurde im Juli 1945, als die amerikanischen Truppen abzogen, abgesetzt.Demontagen und andere ReparationenDie Potsdamer Konferenz oder, richtiger, die Berliner Konferenz, die nur aus Raummangel schließlich vor die Tore der Hauptstadt in den idyllisch gelegenen, im englischen Landhausstil erbauten Cecilienhof der Hohenzollern verlegt worden war, hatte im Sommer 1945 den alliierten Willen zur Entwaffnung und Entmilitarisierung Deutschlands noch einmal ausdrücklich bestätigt. Zwar waren der Morgenthauplan und die Vorstellungen der eine rigorose antideutsche Politik verfolgenden britischen »Vansittartisten« längst begraben. Was aber das offizielle alliierte Programm für das Reichsgebiet vorsah, hielten viele Beobachter für kaum weniger dramatisch: Außer dem Verbot der militärischen Produktion sollten im Rahmen der Wiedergutmachung auch erhebliche Produktionskapazitäten entnommen werden und die deutsche Wirtschaft insgesamt dezentralisiert werden. Spektakulär war zweifellos die Entflechtung des größten Chemieunternehmens, der I. G. Farben, das in seine einzelnen Firmen zerlegt wurde.Der Umfang der DemontagenFür die Demontagen legte man im Alliierten Kontrollrat in mühsamer Kleinarbeit Höchstgrenzen fest. Als Orientierung galt die Erhaltung eines mittleren Lebensstandards. Insgesamt 18 Staaten hatten Reparationsansprüche. Vieles verlief dabei chaotisch, ökonomisch unsinnig und wurde gerade von den Beschäftigten der Industrieunternehmen, die sich zum Teil auch als Opfer des Dritten Reiches fühlten, mit unterdrückter Wut und Resignation, teilweise auch mit schlichtem Unverständnis wahrgenommen. Auch Widerstand gegen Demontagen gab es, beispielsweise im Ruhrgebiet, wo sich Arbeiter gegen den Abbau ihrer Betriebe wehrten. Faktisch entnahm jeder Besatzer seiner Zone, was er für richtig hielt. Allein die Sowjetunion entzog ihrem Besatzungsgebiet wahrscheinlich mehr als 66 Milliarden Dollar Reparationsleistungen, das Sechsfache dessen, was Stalin noch in Jalta im Februar 1945 gefordert hatte. Bis 1947 verringerte sich der Bestand an Industrien in der Sowjetischen Besatzungszone, verglichen mit dem Bestand auf dem Gebiet Mitteldeutschlands im Jahr 1936, um fast 40 Prozent.Auch die Westmächte pochten auf Reparationsleistungen. Sie führten aber deutlich weniger Demontagen aus, in der amerikanischen Zone wurden sie zudem durch Lucius D. Clay bereits im Mai 1946 gestoppt. Im April 1951 wurden die auch in den anderen Westzonen stark verminderten Demontagen dann ganz eingestellt. Der Verlust von Anlagen entsprach nach allgemeinen Schätzungen im Westen etwa dem Bestand, der seit 1939 dort hinzugekommen war.Personelle ReparationenAls Sühneleistung betrachtete die Sowjetunion auch die Zwangsarbeit von Millionen deutscher Kriegsgefangener, von denen die letzten Überlebenden erst zehn Jahre nach Kriegsende zurückkehrten. Eine wichtige Reparationsleistung war zudem die Rekrutierung deutscher Wissenschaftler, die in der Sowjetunion dann maßgeblich am Bau der sowjetischen Atombombe beteiligt waren. Ebenso wie die Sowjetunion schöpften die Vereinigten Staaten vor allem auch personelle Ressourcen ab, die zweifellos Reparationen im weitesten Sinne waren. Bereits seit 1944 waren im Reich headhunters unterwegs, die auf der Jagd nach technischen, militärischen und wissenschaftlichen Experten systematisch und höchst effizient die eroberten Gebiete durchkämmten. Wernher von Braun, einer der wesentlichen Experten für den Bau von Raketen, wurde bereits früh in die USA gebracht, um hier zu arbeiten. Braun war ein typisches Beispiel für den sich selbst als völlig unpolitisch definierenden technischen Spezialisten, dessen wissenschaftliche Ambitionen eben auch die Zusammenarbeit mit einem verbrecherischen Regime zuließen.Nürnberger ProzessDer erklärte Wille der Alliierten, die Schuldigen zu bestrafen, Deutschland umzuerziehen und zu demokratisieren, um so einem neuen Krieg vorzubeugen, war schon 1945/46 durch den immer deutlicher erkennbaren Konflikt zwischen den Westmächten und der Sowjetunion geschwächt. Dies galt jedoch nicht für den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher; ihn durchzuführen war man trotz aller Probleme entschlossen.Im November 1945 trat ein Internationaler Militärgerichtshof zu seiner ersten Verhandlung zusammen. In der deutschen Öffentlichkeit wurde er allerdings kaum wahrgenommen, dazu waren die Deutschen wenige Monate nach dem Zusammenbruch viel zu sehr mit den Dingen des täglichen Lebens beschäftigt. Die juristische Grundlage hatten die Alliierten in einem gemeinsamen »Abkommen über die Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse« am 8. August 1945 geschaffen, das von 23 Staaten in London unterzeichnet worden war.Schon seit Februar 1944 war die bei den Vereinten Nationen angesiedelte War Crimes Commission tätig, die sich mit nichts anderem beschäftigte als der Vorbereitung des in der Weltgeschichte einmaligen Versuchs, die Schuldigen an einem Krieg zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn sich faktisch auch die dahinter stehenden Vorstellungen unterschieden, einig war man sich, dass der deutsche Angriffskrieg und die deutschen Verbrechen nicht ohne Sühne bleiben dürften. Vier Straftatbestände wurden dem kommenden Verfahren zugrunde gelegt, die allesamt noch niemals vorher vor Gericht verhandelt worden waren: 1) Verschwörung gegen den Frieden, 2) Verbrechen gegen den Frieden, 3) Kriegsverbrechen und 4) Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Abgeurteilt wurde im Namen der Vereinten Nationen.Die AngeklagtenAngeklagt waren 21 Mitglieder der Führungselite des Dritten Reiches, die sich nicht wie viele andere durch Selbstmord oder Flucht der Anklage entzogen hatten: Reichsmarschall Hermann Göring; der Stellvertreter des »Führers« Rudolf Heß; Außenminister Joachim von Ribbentrop; der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel; der Chef des SS-Reichssicherheitshauptamtes, Ernst Kaltenbrunner; der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg; der Generalgouverneur für Polen, Hans Frank; der Herausgeber des »Stürmer«, Julius Streicher; Wirtschaftsminister Walther Funk; der Nachfolger Hitlers, Großadmiral Karl Dönitz; der Chef der Kriegsmarine, Ernst Raeder; Reichsjugendführer Baldur von Schirach; der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel; Innenminister Wilhelm Frick; Rüstungsminister Albert Speer; der Chef des Wehrmachtsführungsstabes, Alfred Jodl; der Reichskommissar für die Niederlande, Arthur Seyß-Inquart; der Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, Constantin von Neurath, der berüchtigte Rundfunkkommentator Hans Fritzsche; Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht und schließlich Franz von Papen, den man als Verantwortlichen für die »Machtergreifung« vor Gericht stellte. Für die Anklage vorgesehen waren zudem noch der Chef der Deutschen Arbeitsfront, Robert Ley, der in der Nürnberger Haft Selbstmord beging, der berüchtigte Leiter der Parteikanzlei und Sekretär Hitlers, Martin Bormann, der sich nach damaligem Wissen auf der Flucht befand, sich in Wirklichkeit aber während des Versuchs, aus dem brennenden Berlin zu entkommen, das Leben genommen hatte, und schließlich der verhandlungsunfähige Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, für den der seit 1943 als alleiniger Inhaber tätige Alfried Krupp von Bohlen und Halbach stellvertretend auf die Anklagebank gesetzt wurde.Angeklagt waren außerdem sechs Organisationen: die Gestapo, das Korps der Politischen Leiter der NSDAP, die SS, die SA, die Reichsregierung, der Generalstab und das Oberkommando der Wehrmacht. Die drei ersteren wurden für verbrecherisch erklärt, zwölf der Angeklagten zum Tode verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet. Göring war es wahrscheinlich mithilfe eines amerikanischen Bewachers gelungen, sich vor der Hinrichtung mit einer Giftampulle zu töten. Sieben Angeklagte wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, und es gab drei Freisprüche — von vielen damals auch als deutlicher Hinweis auf die Gerechtigkeit des Prozesses gewertet. Die Asche der Gehenkten wurde an einem geheimen Ort verstreut, um »zu verhindern, dass irgendwann einmal ein Schrein an dieser Stelle errichtet werden könnte.« Es war der Conwentzbach, ein kleiner Nebenfluss der Isar in München-Solln.Weitere KriegsverbrecherprozesseGleichzeitig liefen in Deutschland und im ehemals von Deutschen besetzten Europa diverse andere Prozesse. Die Amerikaner verhandelten 1945 zum Beispiel im ehemaligen Konzentrationslager Dachau gegen das dortige Lagerpersonal, die Briten in Lüneburg gegen die Bewacher von Bergen-Belsen, im französischen Straßburg stand Gauleiter Robert Wagner vor Gericht. Auch den Sowjets wurden Personen zur Aburteilung übergeben, im Jahr 1950 wurden über 10000 an die DDR ausgeliefert. In Polen wurde 1947 der Kommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, abgeurteilt. 1948 begannen die Nachfolgeprozesse unter amerikanischer Regie gegen Juristen, Ärzte, Euthanasiepersonal und Militärs.Parallel zum Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess lief aber auch die eigentliche Massenentnazifizierung in Deutschland an, die ebenfalls immer deutlicher in den Sog des beginnenden Kalten Krieges geriet. Trotz einer im Januar 1946 noch durch den Alliierten Kontrollrat gemeinsam verabschiedeten Direktive (Nr. 24) machte faktisch jeder Besatzer in seiner Zone, was er nach seinen Vorstellungen über die Ursachen des Nationalsozialismus, aber auch aufgrund pragmatischer Überlegungen im zerstörten Deutschland für richtig hielt.Die Amerikaner gingen in ihrem Besatzungsbereich zunächst rigoros vor. Hatte man ursprünglich nur im Auge gehabt, Schlüsselpositionen zu säubern, schrieb die endgültige Fassung der Besatzungsdirektive JCS 1067 vom April 1945 die Entfernung aller »aktiven« Nationalsozialisten vor. Bis Anfang August hatte man bereits 80000 Personen »automatisch« inhaftiert (automatical arrest). Weitere 70000 waren aus ihren Positionen entlassen worden. Am 7. Juli erging die berühmt-berüchtigte Militärverordnung, dass jeder Inhaber einer »Schlüsselposition« einen Fragebogen mit 131 Einzelfragen zu beantworten habe. Über diese Befragung ist später viel Hohn und Spott ausgegossen worden.Was psychologisch erklärbar war, aber dennoch zur Überraschung der Alliierten auftrat, war eine deutliche Solidarisierung vieler »Mitläufer« mit NS-Aktivisten, nicht zuletzt auch ein Zeichen dafür, dass man die Alliierten mehr als Besatzer denn als Befreier sah. Im Grunde genommen war »der Fragebogen« aber ein durchaus ehrenwerter, sorgfältig geplanter und ausgeführter Versuch, das Phänomen Nationalsozialismus personell zu erfassen und gleichzeitig die wirklich Schuldigen von den Mitläufern und Verfolgten zu trennen. Alle Deutschen über 18 Jahre hatten den Bogen auszufüllen. Alle, die der NSDAP vor dem 1. Mai 1937, also dem Tag des In-Kraft-Tretens des Reichsbeamtengesetzes beigetreten waren, die Amtsträger der Partei und aller NS-Organisationen, Offiziere und Unteroffiziere der Waffen-SS, SA, NS-Kraftfahrer- und Fliegerkorps waren zu entlassen, ebenso alle Mitglieder der SS und die vor dem 1. Mai 1933 eingetretenen »alten Kämpfer« der SA. Beamte in leitenden Positionen einschließlich ihrer Referenten fielen ebenso unter diese Regelung wie Industriemanager. Die Zahlen machen deutlich, wie rigoros die Amerikaner vorgingen. Dies geschah nicht zuletzt unter dem Druck der öffentlichen Meinung in den USA selbst, in der viel von der »verpassten Chance« am Ende des Ersten Weltkriegs die Rede war: In Hessen beispielsweise waren Mitte 1946 rund 57 Prozent der Beamten entlassen worden. Aber von allen damals im öffentlichen Dienst Beschäftigten waren schließlich wieder insgesamt rund 55 Prozent aus der Zeit vor 1945 übernommen worden.Diese relativ hohe Zahl der Übernommenen macht gleichzeitig ein anderes Phänomen sichtbar. Auch nach der totalen militärischen Niederlage des Deutschen Reiches waren die Besatzungsmächte auf eine funktionierende deutsche Verwaltung angewiesen, ein Faktum, das die vorgesehene Entnazifizierung zumindest zum Teil konterkarierte.Die SpruchkammernDie zunehmende Kritik auch aus den eigenen Reihen an der Praxis der Entnazifizierung führte knapp ein Jahr nach der Kapitulation zum Entschluss der Amerikaner, die Säuberung den Deutschen zu überlassen, selbst aber die Oberaufsicht zu behalten. Rechtliche Grundlage dafür war das Befreiungsgesetz vom 5. März 1946, das mit leichten Varianten 1947 auch in der britischen und französischen Zone eingeführt wurde. Mit dem Gesetz entstanden die Spruchkammern, deren Grundlage die Auswertung der Fragebögen war. Sie unterschieden nach (I) Hauptschuldigen, (II) Belasteten, worunter man NS-Aktivisten, Militaristen und Nutznießer rechnete, (III) Minderbelasteten, (IV) Mitläufern und (V) Entlasteten. 20000 Mitarbeiter, die in der Regel aus juristischen Laien bestanden, benötigte das Spruchkammerverfahren, wobei in krassem Gegensatz zum rechtsstaatlichen Verfahren der Belastete den Beweis seiner Unschuld zu erbringen hatte. Die Kammer setzte dann die Sühneleistung des Einzelnen fest, die etwa Arbeitslager, Geldstrafe oder den Verlust von Versorgungsansprüchen bedeuten konnte. Entlastet war eigentlich nur derjenige, der eine nur formelle Mitgliedschaft in NS-Organisationen oder die Beteiligung am Widerstand nachweisen konnte. Gegen den Spruch war eine Berufung möglich.Die Praxis zeigte, dass sich das gesamte Spruchkammerverfahren vor dem Hintergrund des ohnehin vorhandenen mehrheitlichen Unwillens der Deutschen, sich wirklich mit dem Nationalsozialismus auseinander zu setzen, und des beginnenden Kalten Krieges zu einer wahren »Mitläuferfabrik« (Lutz Niethammer) entwickelte, die fast nur noch »Persilscheine« ausstellte, wie die Entlastungsbescheide im Volksmund hießen. Hinzu kam 1946 eine Jugendamnestie, 1947 eine Weihnachtsamnestie, die bis 1949 zur Beendigung von 2,8 Millionen Verfahren führte. Im Januar 1948 äußerte die Regierung in Washington ausdrücklich den Wunsch, die Entnazifizierung schnell zu beenden. Nur noch mit erheblichem Druck des amerikanischen Hochkommissars General Lucius D. Clay gelang es jetzt, eine Fristverlängerung für besonders schwere Fälle durchzusetzen.Pragmatik und Milde — Britische und französische VorgehensweisenDie britische und die französische Position entsprach grundsätzlich der amerikanischen, wenn auch die Briten noch pragmatischer als ihre amerikanischen Kollegen verfuhren. Seit die deutschen Stellen die Entnazifizierung übernommen hatten, waren in der britischen Zone etwa zwei Millionen Fälle untersucht worden, davon waren fast 70 Prozent als Entlastete und Mitläufer eingestuft worden. Auch hier wurde eine Amnestie erlassen, die am 1. Juni 1948 in Kraft trat. In der französischen Zone hatte die erste Entlassungs- welle geradezu ein Chaos für die Verwaltung mit sich gebracht. Früher als in anderen Zonen, nämlich im Oktober 1945, war man hier deswegen dazu übergegangen, den deutschen Stellen die Entnazifizierung zu überlassen. Auch ansonsten ließ es der französische Weg an politischem Elan fehlen, Nationalsozialisten zu entfernen. Es gab auch Fälle, in denen einflussreiche Belastete auf ihrem Posten belassen wurden, wenn sie politische Pläne der Franzosen unterstützten. Im Mai 1947 folgte auch hier eine Jugendamnestie, im Juli 1948 eine Amnestie für alle einfachen NSDAP-Mitglieder.Die Gesamtbilanz der Entnazifizierung war entsprechend dürftig. Selbst Deutsche beklagten die kaum mehr zu verantwortende Milde der französischen Stellen. Als man 1950 eine Abschlussbilanz erstellte, waren von knapp 670000 Überprüften ganze zwei als Hauptschuldige und 284 als Belastete eingestuft worden.Die »antifaschistisch-demokratische Umwälzung« in der Sowjetischen BesatzungszoneKonsequenter als in den Westzonen ging man in der sowjetischen Zone die Entnazifizierung an. Sie wurde als Chance zur radikalen Umgestaltung in eine sozialistische Gesellschaft begriffen, deren deutlichster Ausdruck dann die Bodenreform war. Das Schlagwort von der »antifaschistisch-demokratischen Umwälzung« meinte darüber hinaus nicht nur die Bestrafung der Schuldigen an Diktatur und Krieg, sondern vor allem den radikalen Elitenaustausch, der den kommunistischen Führungsanspruch in einem neuen Staat gewährleisten sollte.Aktive Nationalsozialisten, »alte Kämpfer« und Führungspersonal in Verwaltungen, Schulen und Universitäten wurden als Erste entlassen. Teilweise fiel die Entlassungspraxis aber auch höchst unterschiedlich aus. Während Thüringen nominelle Parteimitglieder im öffentlichen Dienst beließ, wurden diese beispielsweise in Brandenburg entlassen. Rigoros ging man vor allem in der Justiz vor. In Sachsen wurden von 1000 Richtern und Staatsanwälten 800 entlassen. Ausnahmen gab es aber für unentbehrliches Personal, zu denen zum Beispiel Ärzte gehörten. Die Grundlinie war jedoch, dass vor allem KPD-Mitglieder bevorzugt in die freien Stellen einrückten. Sie dominierten schließlich auch die Entnazifizierungsausschüsse.Schon 1946 waren aber auch erste Anzeichen für die Abschwächung des harten Kurses absehbar. Der KPD-Vorsitzende Wilhelm Pieck votierte im Februar offen für die Bewährung nomineller NSDAP-Mitglieder. Dieser Kurs, der auf eine wirtschaftliche und soziale Konsolidierung der Zone zielte, wurde im berühmten SMAD-Befehl 201 vom August 1947 auch offiziell ausdrücklich betont. Auffangbecken für die ehemaligen Nationalsozialisten wurde die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD), die eigens zu diesem Zweck im Mai 1948 gegründet wurde. Kurz zuvor war offiziell die Entnazifizierung am 26. Februar 1948 abgeschlossen worden.Vergleich und SchlussbilanzAls Schlussbilanz ist anzunehmen, obwohl die Zahlen nach wie vor nicht wirklich überprüft wurden, dass im sowjetischen Einflussbereich etwa 200000 NSDAP-Mitglieder entlassen wurden. Wichtiger als dies war allerdings der bereits angesprochene umfassende Strukturwandel. An die Stelle traditioneller Besitz- und Bildungseliten traten Funktionäre, die großenteils aus unterprivilegierten Schichten stammten; der Besitz der »Junker«, die man besonders als Förderer und Träger des Nationalsozialismus verfolgt und enteignet hatte, war unter Landlosen verteilt worden. Dies war der wesentliche Unterschied zu den Westzonen, in denen nach der Entnazifizierung die alten Eliten vielfach in ihre alten Positionen zurückkehrten. Allerdings sind hier längst noch nicht alle Einzelheiten erforscht, ebenso wenig wie in einem besonders dunklen Kapitel, dem der sowjetischen Internierungslager in der Sowjetischen Besatzungszone, in denen bis 1950 wahrscheinlich etwa eine Viertelmillion Personen unter katastrophalen Bedingungen lebte. Dies waren keinesfalls nur NS-Funktionäre oder Kriegsverbrecher, sondern auch unliebsame NS-Gegner und schließlich auch Personen, die sich etwa gegen die Zwangsvereinigung von KPD und SPD gewandt hatten. Rund 25000 Personen wurden zudem ohne Urteil in sowjetische Lager deportiert.Seit den ersten Überlegungen während des Krieges über die Zeit »nach Hitler« war neben der Bestrafung der Schuldigen die Umerziehung der Deutschen in Richtung Demokratie im Gespräch gewesen. Hierin waren sich eigentlich alle Alliierten einig gewesen, wenn auch die Vorstellungen darüber zwischen den Westmächten und der Sowjetunion weit auseinander gingen. Häufig wurde zur Begründung die These präsentiert, die Deutschen seien seit Jahrhunderten einen Sonderweg in Europa gegangen, der konsequent zum autoritären Staat geführt und gleichzeitig jede demokratische Tradition im Keim erstickt habe. Richtig war daran zweifellos, dass die obrigkeitlichen Traditionen tief im deutschen Bewusstsein verankert waren.Eine der ersten alliierten Maßnahmen parallel zur Entnazifizierung war die Genehmigung zur Bildung von Parteien gewesen. Hier machten die Sowjets den Anfang. Knapp einen Monat nach der Kapitulation wurden in ihrer Besatzungszone bereits die ersten Parteien gegründet, im August 1945 wurden auch in der amerikanischen, im September in der britischen und schließlich im Dezember 1945 in der französischen Zone Parteien zugelassen. Fast gleichzeitig kam es zur Gründung von Gewerkschaften.Neuerungen in Wirtschaft, Bildung, Kultur und JustizZweifellos herrschte in allen Zonen politische Aufbruchstimmung; zum Teil geschah Unerhörtes: Nicht nur den Arbeiterparteien, auch dem konservativ-christlichen Lager, das sich vor allem in der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) sammelte, schien nach dem offensichtlichen Scheitern der alten Ordnung die Sozialisierung der Wirtschaft als einzig gangbarer Weg. Das Ahlener Programm der CDU 1947 forderte unter anderem die Verstaatlichung von Industrien und die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse.Fast noch entscheidender war den Alliierten die Demokratisierung des Kulturlebens erschienen. Bildungswesen, Presse, Rundfunk sollten umfassend reformiert werden. Auch hier begannen die Sowjets als Erste mit einem radikalen Schritt, der Einführung der Einheitsschule. Gleichzeitig begann man neue Lehrer auszubilden, die 1945 dreimonatige, 1946 achtmonatige und 1949 zwölfmonatige Kurzlehrgänge durchliefen. Erst danach ging man in der sowjetischen Zone wieder zu einem Hochschulstudium für Lehrer über. Ähnlich radikal war hier nur noch der Neuaufbau der Justiz auf den Weg gebracht worden, als man begann, juristische Laien in Kurzlehrgängen zu »Volksrichtern« auszubilden.Gleichfalls drastisch, aber im Ergebnis nicht annähernd so folgenreich wie die Sowjets, gingen die Franzosen vor, die in ihrer Zone das elitäre französische Schulmodell einführten. Die Amerikaner drängten vor allem auf die dem amerikanischen Modell nachgebildete Gesamtschule, die ihnen für die Demokratisierung am geeignetsten erschien.Ähnlich hart wie um die Bildungspolitik wurde in allen Zonen um die anderen Zweige der Kulturpolitik gerungen. Früh war die Filmindustrie im Rahmen der Umerziehung eingesetzt worden. Allerdings hatten hier die Dokumentarfilme über Kriegsverbrechen und deutsche Gräuel in den Konzentrationslagern kaum messbaren Erfolg; teilweise wurde das genaue Gegenteil des Erwünschten erreicht. Größeren Erfolg beim Publikum hatte der Import von ausländischen Spielfilmen, in der amerikanischen Zone stießen Hollywoodstreifen auf größtes Interesse. Besondere Aufmerksamkeit kam darüber hinaus in allen vier Zonen der Presse- und Rundfunkpolitik zu.Die Abkehr von der vorherigen BesatzungspolitikDen wohl größten psychologischen Erfolg der »Umerziehung« konnten die Westalliierten aber wohl dadurch verbuchen, dass sie im Zuge des sich entwickelnden Kalten Krieges und in der Gewissheit, auf »ihre Deutschen« in der Auseinandersetzung gegen den Kommunismus angewiesen zu sein, ab Ende 1946 einen klaren Schwenk ihrer bisherigen Besatzungspolitik vollzogen. Der amerikanische Außenminister James F. Byrnes kündigte im September 1946 in einer Rede in Stuttgart nicht nur die endgültige Abkehr von destruktiven Teilungsplänen an, sondern stellte auch in Aussicht, dass es wieder ein politisch und wirtschaftlich selbstständiges Deutschland geben werde, das einen »ehrenvollen Platz« unter den Nationen einnehmen könne. Die wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen, die der Marshallplan 1947 einläutete, waren dann schließlich, vor allem angesichts der sowjetischen Drohgebärden in der Berlinkrise 1948, der Beginn einer engen Anbindung an die Westmächte, die sich ebenso auf kulturellem Gebiet niederschlug. Die »Amerikanisierung« der westdeutschen Kultur war nicht nur ein Ergebnis des Kulturhungers nach der Zeit des kulturellen Provinzialismus im Dritten Reich, sondern auch ein Anknüpfen an ein in Deutschland weit verbreitetes Interesse an Amerika, wie es insbesondere schon während der Weimarer Republik zu verzeichnen gewesen war.Staatlicher Neubeginn in DeutschlandDie Besatzungsmächte waren angetreten, Deutschland zu entnazifizieren und zu demokratisieren. Die Entnazifizierung wurde in den Besatzungszonen zu einem »gescheiterten Experiment«, allerdings mit unterschiedlichem Ausmaß innerhalb der verschiedenen Zonen, wenn man sie an den im Krieg vertretenen Forderungen der Alliierten misst. Der wichtigste Grund dafür war der Bruch der Kriegskoalition, der sich bereits vor 1945 deutlich abzeichnete und mit der Niederlage Deutschlands Realität wurde. Sowohl im Westen als auch im Osten war man viel zu sehr auf die Deutschen angewiesen, als dass man die umfassende Bestrafung aller Schuldigen unbeeindruckt von dem sich entwickelnden Kalten Krieg hätte weiterführen können.»Renazifizierung« und RestaurationDass die zunächst angepeilte umfassende Entnazifizierung vor dem Hintergrund des Kalten Krieges nicht mehr opportun war, wurde vor allem während der Nürnberger Nachfolgeprozesse in Westdeutschland gegen deutsche Generäle deutlich. Der Prozess gegen Generalfeldmarschall Erich von Manstein 1949 in Hamburg wurde nicht nur gegen den Willen der meisten Deutschen, sondern auch gegen den ausdrücklichen Einspruch prominenter alliierter Politiker geführt. Die von Zeitgenossen immer wieder beklagte »Renazifizierung« der Bundesrepublik fand allerdings im behaupteten Maß nicht statt. Eine Reihe von Nationalsozialisten rückte zweifellos in wichtige politische Positionen der Bundesrepublik ein — am bekanntesten sind die Fälle des Staatssekretärs Hans Globke und des Bundesvertriebenenministers Theodor Oberländer —, aber diese betätigten sich nicht in neofaschistischen Organisationen. Allerdings, verglichen mit den Vorstellungen, die beispielsweise der antifaschistische Widerstand im Auge gehabt hatte, war die Entwicklung der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren dann tatsächlich »restaurativ«. Viel spricht jedoch für die These, dass ebendiese »Restauration« auch die schnelle politische und ökonomische Stabilisierung des jungen Staates gefördert hat. Die Sowjetzone war alles in allem in der Entnazifizierungspraxis wesentlich konsequenter gewesen als die Westzonen. Auf der Strecke blieb dabei allerdings eine echte Demokratisierung. An ihre Stelle setzte sich nach und nach die Diktatur der im April 1946 in Ost-Berlin durch Zusammenschluss von KPD und SED gegründeten Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die real betriebene Besatzungspolitik, die vor dem Hintergrund des spätestens 1947, in manchen Gebieten auch schon vorher einsetzenden Kalten Krieges eindeutige innenpolitische Prioritäten setzte, war auch die Voraussetzung für die deutsche Teilung. Weder die Sowjetische Besatzungszone und nachfolgend die DDR noch die Trizone und die aus ihr entstandene Bundesrepublik waren zunächst so selbstständig, dass sie jenseits der Vorgaben der jeweiligen Besatzungsmacht eine eigenständige Politik betreiben konnten.Dr. Bernd StöverWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Deutschland: Teilung Berlins und Deutschlands bis 1955Grundlegende Informationen finden Sie unter:Nationalsozialismus: Deutschland unterm HakenkreuzBenz, Wolfgang: Die Gründung der Bundesrepublik. Von der Bizone zum souveränen Staat. München 51999.Benz, Wolfgang: Potsdam 1945. Besatzungsherrschaft und Neuaufbau im Vier-Zonen-Deutschland. München 31994.Bögeholz, Hartwig: Wendepunkte - die Chronik der Republik. Der Weg der Deutschen in Ost und West. Neuausgabe Reinbek 1999.Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949, herausgegeben von Clemens Vollnhals. München 1991.Friedrich, Jörg: Die kalte Amnestie. NS-Täter in der Bundesrepublik. Neuausgabe München u. a. 1994.Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von Wolfgang Benz. 4 Bände. Neuausgabe Frankfurt am Main 1989-93.Hilberg, Raul: Die Vernichtung der europäischen Juden. Band 3. Aus dem Amerikanischen. Taschenbuchausgabe Frankfurt am Main 1991.Der Krieg ist aus - und nun? Sommer '45. Berichte, Erfahrungen, Bekenntnisse, herausgegeben von Sybil Gräfin Schönfeldt. München 1985.Leonhard, Wolfgang: Die Revolution entläßt ihre Kinder. Köln u. a. 1955.Niethammer, Lutz: Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns. Berlin u. a. 21982.Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg, herausgegeben von Klaus-Dietmar Henke und Hans Woller. München 1991.
Universal-Lexikon. 2012.